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Mit einer sehr ausführlichen und detaillierten Eilentscheidung haben wir uns im Streit um eine Baugenehmigung für zwei gleichgroße benachbarte Schankwirtschaften mit Freisitzen für den Eigentümer eines Mehrfamilienhaus durchgesetzt. Das Gericht hat die aufschiebende Wirkung angeordnet (Beschluss vom 1. Juli 2022), so dass der mittlerweile aufgenommene Betreib nun umgehend zu unterbinden ist. Zum einen wurde ein Verstoß gegen den nachbarschaftsrelevanten Bestimmtheitsgrundsatz gesehen. Insbesondere war die erforderliche Baubeschreibung (nach § 11 Abs. 1 und 3 DVOSächsBO) ungenügend, um das Vorhaben hinreichend beurteilen zu können. Unter anderem mit Blick auf die Frage, ob das Vorhaben in einem Allgemeinen Wohngebiet nach § 4 II Nr. 2 BauNVO zulässig ist und ob das Rücksichtnahmegebot nach § 15 BauNVO gewahrt wird, wäre eine aussagekräftige Baubeschreibung erforderlich gewesen. Zweifel hatte das Gericht, da die Schankwirtschaften nur am Tage bis 22 Uhr betrieben werden sollten, aber mangels Küchen und Speiseangebot ein für den Tageszeitraum typisches Angebot gerade nicht enthielten, der Sinn der räumliche Trennung in 2 getrennte Schankwirtschaften konnte nicht aufgeklärt werden und es war fraglich, ob diese tatsächlich auf die Versorgung des Gebietes angelegt waren. Mit Blick auf Rücksichtnahmegebot wurde das der Baugenehmigung zugrundeliegende Lärmgutachten erheblich – als nicht „auf der sicheren Seite“ liegend kritisiert, dies gilt etwa für den angenommenen Mittelungspegel bei den Freisitzen in Höhe von 65 dB(A) für „normal sprechende Menschen“, es hätte vielmehrt ein Wert von 70 dB(A) für „Sprechen mit gehobener Stimme“ nach der VDI-Richtlinie 3770 angesetzt werden müssen. Auch wurden keine Zuschläge für Impuls- sowie Ton- und Informationshaltigkeit angesetzt. Der Lärm der Gäste beim Verlassen der Schankwirtschaften wurde nicht berücksichtigt. Gerade durch den Verhaltensbezog der Geräuschemissionen (die durch den Betreiber nicht steuerbar sind), wäre eine besondere worst-case-Betrachtung erforderlich gewesen. Deshalb war es auch fehlerhaft, die erhebliche Vorbelastung nicht zu bewerten. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund dieser Entscheidung das Vorhaben an diesem Standort vollständig unmöglich geworden ist.
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